Anforderungen an eine adaptive Lernlösung für die inklusive Berufsausbildung

Um etwas über die grundsätzlichen Anforderungen an eine adaptive Lernlösung für die inklusive Berufsausbildung zu erfahren, wurden im Rahmen des BMBF-Förderprojekts InProD2 rund 30 Bildungsexpertinnen und -experten, die Menschen mit Behinderungen ausbilden, angesprochen und gebeten, einen qualitativen Fragebogen zu beantworten. Zehn Expertinnen und Experten sind dieser Bitte nachgekommen und haben sich an der Befragung beteiligt. Lesen Sie hier die wichtigsten Erkenntnisse aus den Befragungsergebnissen.

Individualisierung von beiden Seiten notwendig

Mit Blick auf die Lerninteressen der Zielgruppe und auf die Anforderungen der Lehrenden und Ausbildenden steht die individuelle Anpassung ganz oben. Dies betrifft die Individualisierung des Lernmaterials ebenso wie die Notwendigkeit zur stets individuellen Betreuung andererseits. Für die Lernenden bedeutet das unter anderem, dass sie kleinteilige Aufgaben in einfacher Sprache mit präzisen Formulierungen erhalten sollten und dass ihr Lern- und Arbeitstempo flexibel ausgestaltet sein sollte. Für die Lehrenden erfordert dieser Anspruch eine permanente Weiterbildung (Zusatzqualifikationen), Optimierung von Texten, das Schaffen einer passenden (ruhigen!) Arbeitsumgebung – und nicht zuletzt individuelle Kenntnisse zu den jeweiligen Beeinträchtigungen der Auszubildenden.

Personelle Voraussetzungen sind Achillesferse

Für die Befragten spielen beim Einsatz von Lernmedien für Auszubildende mit Behinderungen die generellen Rahmenbedingungen eine Schlüsselrolle. Hier wird deutlich, dass der größte Knackpunkt die personellen Ressourcen in den Schulen und Ausbildungsbetrieben sind. In Anbetracht der besonderen Wichtigkeit der Individualisierung des Lernens (siehe oben) überrascht dieses Ergebnis wenig. Insofern sind (bildungs-)politische Rahmenbedingungen, technische Voraussetzungen sowie wissenschaftliche Erkenntnisse zwar nicht unwichtig, spielen aber eine deutlich geringere Rolle als die Personalkapazitäten.

Vorhandenen digitalen Lernangeboten fehlt es an Auswahl und Passgenauigkeit

Lernangebote für Auszubildende mit Behinderungen müssen anders gestrickt sein als für andere Zielgruppen. Zudem schmälert die große Heterogenität dieser Zielgruppe die Auswahl der verfügbaren Digitalangebote weiter. Und den verfügbaren Angeboten für diese Zielgruppe fehlt es oftmals an Passgenauigkeit – auch dies ist eine Konsequenz aus dem besonders große Individualisierungsbedarf. Das führt dazu, dass wirklich geeignete Angebote nicht nur schwer zu finden und rar gesät sind – sie sind mitunter auch sehr teuer.

Fehlende Finanzmittel sind größter Bremser für digitale Lernangebote

So überrascht auch nicht das Ergebnis auf die direkte Frage nach den größten Hindernissen bei der Einführung und Nutzung digitaler Lernangebote für Auszubildende mit Behinderungen: Fehlende Finanzmittel in den Schulen und Ausbildungsbetrieben. Ebenfalls eine Rolle spielen die fehlende Anpassbarkeit (siehe oben) bzw. die fehlende Wahrnehmung vorhandener Angebote, die sprachliche Verständlichkeit sowie fehlende Individualisierbarkeit (siehe ebenfalls oben).

Fazit

Ohne eine immense Aufstockung der Budgets für zielgruppengerechte digitale Lernangebote und personelle Ressourcen wird die notwendige Individualisierung der Lernmedien und der Lernbetreuung nicht gelingen können – und der Umfang der verfügbaren Angebote sicherlich nicht steigen.